„Das waren Götter. Das waren für uns Herren über Leben und Tod.“
Dieses Zitat über das Landratsamt stammt von dem Holocaust-Überlebenden Karl Coppel aus Neukirchen-Vluyn. Das Alte Landratsamt steht für die wechselvolle deutsche Demokratiegeschichte.
Hier residierten die Landräte des Kreises Moers, 1918 tagte dort der Arbeiter- und Soldatenrat. Bis 1933 diente das Gebäude als Kreistag, von 1933 bis 1945 fungierte das Landratsamt als regionale Machtzentrale der Nationalsozialisten: die Deportationslisten in die Konzentrationslager wurden hier unterzeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte das Gebäude die amerikanische und die britische Verwaltung, von 1946 bis 1962 tagte der Kreistag wieder dort: Widerstandskämpfer wie Hermann Runge und Ernst Holla wirkten als Kreistagsabgeordnete an Versuchen des demokratischen Neubeginns in Moers mit. Hier tagte 1945 auch der Entnazifizierungsausschuss des Kreises Moers.
Die neue Dauerausstellung zeigt die Katastrophen des 20. Jahrhunderts und zeichnet den Weg des lange kaisertreuen Moers in den Ersten Weltkrieg, streift die zaghaften Anfänge der damals umstrittenen ersten deutschen Demokratie, zeigt ihr Scheitern, gefolgt von einer menschenverachtenden Diktatur, den militärischen und moralischen Zusammenbruch und den Versuchen eines demokratischen und kulturellen Neubeginns. Die Geschichte des jüdischen Lebens ist dabei in alle Bereiche eingewoben, bis die Lücke aufklafft, die seit dem Nationalsozialismus gerissen wurde und die bis heute nicht geschlossen ist.
Eine Ausstellungsabteilung widmet sich Leben und Werk des Kabarettisten und Poeten Hanns Dieter Hüsch - eine beispielhafte Künstlerbiografie, in der sich die politischen, kulturellen und religiösen Tendenzen der jungen BRD brechen.
Papiere bitte!
Die Ausstellung hat einen starken biografischen Ansatz: Beim Eintritt in die Ausstellung erhalten Sie einen Ausweis, der Sie für Ihren Ausstellungsrundgang mit einer historischen Biografie verbindet. Der Ausweis ist „maschinenlesbar“: Sobald Sie in die Nähe eines biografischen Terminals („Bio-Terminals“) kommen, werden Sie an insgesamt 13 Stationen aufgefordert, „sich auszuweisen“. So erhalten Sie Informationen zu den betreffenden Personen.
Die biografischen Informationen stammen von Opfern, Tätern und „ganz normalen“ Moerser Menschen. Einen großen Teil der Biografien haben Mitglieder einer Arbeitsgruppe seit 2016 erarbeitet. Die „Bio-Terminals“ wurden zusammen mit der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen entwickelt.
Foto: Bettina Engel-Albustin Foto: Michael Kühler Foto: Bettina Engel-Albustin Foto: Michael Kühler Foto: Bettina Engel-Albustin Foto: Michael Kühler Foto: Michael Kühler Foto: Bettina Engel-Albustin Foto: Michael Kühler „Bio-Terminal“ an der Station Kreisappell 1936. Welche Wendung nahm die Biografie beispielsweise der SPD-Kreisrätin Marie Müller nach der Machtübernahme der Nationalsotialisten? Hier kann man es erfahren.
Foto Bettina Engel-AlbustinBriefe von Jenny Leyser an ihren Sohn Ernst in Brasilien kurz vor ihrer Deportation im Dezember 1941: „… und wir immer noch hoffen, daß wir doch eines Tages zusammen kommen. Dieses Hoffen hält uns aufrecht, so lange wir es durchhalten können.“
Foto: Bettina Engel-AlbustinOrgel aus dem Nachlass von Hanns Dieter Hüsch. Foto: Bettina Engel-Albustin „Dieser Talmudstall ist für immer geschlossen! – Moerser Synagogengebäude nach der Pogromnacht 1938. Das Foto aus dem privaten Album von Wilhelm Schink ist das einzige bisher bekannte Foto des Synagogenkomplexes vor 1940. Silberner Torazeiger